
Keine Angst vor großen Ausgaben: Damit ihr Kalligrafie lernen oder überhaupt erst einmal damit beginnen könnt, benötigt ihr nicht viel Material. Wenn es euch gefällt, könnt ihr weitershoppen – wenn ihr aber nach den ersten Schritten feststellt, dass es doch nicht so euer Ding ist, habt ihr nichts verloren, sondern seid im Gegenteil an Erfahrungen reicher.
Im Trend: Kalligrafie
Wie habt ihr zur Kalligrafie gefunden? Vielleicht habt ihr es bemerkt: In den vergangenen Jahren hat zunächst das Handlettering die kreative Gemeinschaft erobert, inzwischen ist es aber mehr und mehr auch die Kalligrafie, das Schreiben mit Feder und Tinte, die gerade eine richtige Renaissance erfährt. Mir selbst fällt es besonders in den sozialen Medien auf, wie viele Menschen sich inzwischen diesem schönen Hobby widmen oder es zu ihrem Beruf gemacht haben und was für fantastische Kunstwerke durch sie entstehen.
Noch vor gar nicht allzu langer Zeit war die beste Möglichkeit, sich der Kalligrafie zu nähern, ein Volkshochschulkurs. Auch ich habe so angefangen. Heute gibt es dafür so viele verschiedene Workshopangebote, von klassischer bis zu moderner Kalligraphie, es gibt Arbeitshefte zum Herunterladen und Onlinekurse, mit denen man sich die Kalligrafie mehr oder weniger selbst beibringen kann.
Doch welche Werkzeuge braucht man denn nun wirklich, um mit der Kalligrafie zu beginnen? Welches Material ist ein Muss und welche Dinge sind nette Ergänzungen für euren kleinen Werkzeugkasten, die einem das Schreiben erleichtern oder auch für eine schöne Abwechslung sorgen? Ich habe euch hier mal zusammengeschrieben, welche Dinge ihr wirklich braucht, um Kalligrafie zu lernen – aber Achtung: Die Auflistung basiert auf meinen ganz persönlichen Erfahrungen, andere haben für die einzelnen Materialien vielleicht eine ganz andere Gewichtung.
Kalligrafie lernen: das Material
Ich habe meine Empfehlungen in drei Aspekte eingeteilt:
- Die „Essentials“: Welche Materialien braucht ihr für den Anfang unbedingt?
- Die „Add-ons“: Was erleichtert euch das Schreiben darüber hinaus?
- Die „Gönnung“: Was könnt ihr euch einfach mal gönnen, auch wenn ihr es nicht unbedingt braucht?
1. Die „Essentials“
Kalligrafie bedeutet nichts anderes als „schönes Schreiben“ bzw. „Schönheit des Schreibens“ – gar nicht mal notwendigerweise mit Feder und Tinte. Das Einzige, was ihr also unbedingt benötigt sind:

- Stift, am besten ein Bleistift (HB). Je weicher der Bleistift, desto besser lassen sich auch damit dickere Abstriche produzieren.
- Papier. Das hat ja eigentlich jeder zuhause. Für das Üben mit dem Bleistift ist es natürlich ganz egal, welches Papier ihr verwendet. Sobald ihr aber mit Tinte darauf schreibt, werdet ihr feststellen, dass es große Unterschiede gibt. Da ist auch Kopierpapier nicht mehr gleich Kopierpapier. Es gibt tolles Papier speziell für Kalligrafie, das ist jedoch meist nicht ganz günstig. Für den Anfang und gerade zum Üben soll es jedoch nicht gleich das teuerste sein. Da gibt es z. B. Clairefontaine, Rhodia (auch von Clairefontaine) und weitere Namen. Aber mein Tipp ist: HP Color Choice Laserpapier, am besten in 100 g/qm. Kein Witz. Das Papier ist glatt, die Tinte blutet nicht ins Papier und drückt sich nicht durch und man kann wunderbar darauf schreiben. In einer Packung sind 500 Blatt zu einem sehr fairen Preis, damit seid ihr erst einmal ausgestattet. Und könnt obendrein noch euer Linienraster (s. unten) darauf ausdrucken.
Vielleicht denkt ihr jetzt: Was? Mehr nicht? Damit kann man doch keine Kalligrafie schreiben!
Naja – tatsächlich ist der Bleistift für den Anfang keine schlechte Wahl: So könnt ihr euch erst einmal mit den Buchstabenformen vertraut zu machen, mit dem Abwechseln von Druck bei den Abstrichen und den feinen Haarlinien bei den Aufstrichen, bevor ihr ein neues Medium hinzunehmt. Gerade die Arbeit mit Feder und Tinte birgt zu Beginn nämlich leider ein wenig Frustpotential (etwa, wenn die Feder die Tinte nicht hält und man sie nach jedem Strich neu eintauchen muss oder wenn die Tinte auf dem Papier ausblutet).
Mit dem Bleistift kann man sich auch bestens aufwärmen, also ein paar einfach Formen wie Ovale oder Achten „aus dem Handgelenk schütteln“, um die Muskeln an das Schreiben zu gewöhnen. (Dazu mehr in diesem Blogpost).
Wenn ihr euch dann bereit fühlt, geht es weiter mit folgenden Materialien:
- Federhalter: Gerade oder oblique; bei Spitzfederkalligrafie ist ein Obliquehalter eine gute Wahl, aber probiert ruhig beide mal aus. Linkshänder empfinden einen geraden Halter oft einfacher zu handhaben (mehr über Kalligrafie für Linkshänder findet ihr hier; mehr zu Federhaltern erfahrt ihr in diesem Blogartikel: Federhalter für die Spitzfeder-Kalligrafie).
- Feder: Gut für den Anfang ist zum Beispiel Nikko G; mehr über Federn (auch, wie ihr sie für das Schreiben vorbereitet, damit sie die Tinte halten) könnt ihr hier nachlesen: Federn für die Spitzfeder-Kalligrafie.
- Tinte: Da gibt es sicher viele Möglichkeiten im Kreativladen eures Vertrauens; einige schreiben z. B. mit Scriptol (das ich selbst gar nicht mag, da ich (andere vielleicht schon) kaum feine Linien damit produzieren kann). Ich selbst schreibe zum Üben am liebsten mit Walnuss-Tinte, die hat gerade für den Anfang tolle Eigenschaften; auch Sumi-Tinte ist leicht zu händeln und verträgt sich mit fast jedem Papier.

Zum Saubermachen der Feder nach dem Schreiben (oder auch mal zwischendrin) braucht ihr noch
- Wasser (eventuell destilliert)
- Tuch (möglichst fusselfrei)
Das war es schon! Mehr braucht ihr wirklich nicht, um mit der Kalligrafie zu beginnen.
2. Die „Add-ons“
Aber natürlich gibt es noch viele weitere Hilfsmittel, die das Schreiben und auch die Vorbereitungen für eure Projekte erleichtern. Oder einfach Spaß machen. Diese Materialien folgen hier:

- Linienraster zum Einhalten des Neigungswinkels und natürlich einer einheitlichen Schreiblinie. Ihr könnt es direkt auf eurem Papier ausdrucken und beschreiben oder ihr legt ein dünneres Papier darüber, z. B. Transparent- oder Markerpapier (s. dort). Es gibt viele Linienraster im Internet, die ihr euch kostenlos herunterladen könnt, zum Beispiel bei inkmethis.com oder bei halfapx.com. Eine Sammlung verschiedener solcher Guide Sheets findet ihr auch bei iampeth.com. Darüber hinaus könnt ihr euch auf einigen Webseiten euer eigenes Linienraster generieren, z. B. bei scribblers.co.uk und bei lanquach.com. Und natürlich könnt ihr hier auch ein von mir selbst erstelltes Linienraster herunterladen (Neigungswinkel: 55°):
- Dinky Dips bzw. Tintenminis: Dies sind winzige Döschen mit 2 ml oder 5 ml Fassungsvermögen, in die ihr die Tinte aus größeren Gefäßen umfüllen könnt. Da ein Obliquefederhalter oft nicht durch die Öffnung eines normalen Tintenglases passt, ist es etwas umständlich, die Feder in die Tinte zu tauchen. Hier sind Dinky Dips Gold wert, denn die Feder passt exakt hinein. Auch in Deutschland werden sie inzwischen in spezialisierten Shops angeboten. Ihr findet sie z. B. bei Schrift und Kunst, bei J-Stuff oder bei Federführend und natürlich auch bei Etsy.


- Pipetten: Um die Tinte aus einem größeren Behälter in die Dinky Dips zu befördern. Manche Tintengläser haben praktischerweise bereits eine Pipette.
- Marker- oder Transparentpapier zum Üben: Da es durchscheinend ist, könnt ihr es über eure Linienraster legen und müsst nicht das Linienraster für jede Seite neu ausdrucken. Auch schön: Gestaltet darauf euer Projekt, z. B. ein Zitat, und befestigt es anschließend über einer Zeichnung oder einem Foto. Das gibt einen tollen Effekt. Nicht zuletzt kann man es auch super zum Übertragen verwenden: Schreibt einen Text auf dem Transparentpapier (z. B. über eurem Linienraster), schraffiert die Rückseite mit Bleistift, legt dann euer Zielpapier drunter und überschreibt den Text noch einmal. Auf dem Zielpapier seht ihr dann ganz fein in Bleistift den Text und ihr könnt ihn nun einfach mit Feder und Tinte kalligrafieren.

- Laser-Lineal: Ein kleiner Helfer, der auf Knopfdruck eine Laserlinie auf euer Papier wirft. Dadurch erspart ihr euch das Anzeichnen (und Ausradieren) von Linien auf Papier, durch das ein Linienraster nicht zu sehen ist.
- Lichttisch: Wirft Licht von unten durch euer Papier. Dadurch ist z. B. ein untergelegtes Linienraster auch bei dickerem Papier gut zu sehen. Auch zum Übertragen sehr praktisch, er ersetzt quasi die Fensterscheibe.
- Weißer Buntstift: Zum Vorschreiben bzw. Linienzeichnen auf schwarzem Papier oder Papier, auf dem Bleistift nicht gut zu sehen ist. Lässt sich in der Regel gut wegradieren.
- Gummi Arabicum: Wenn die TInte so dünn ist, dass sie viel zu schnell aus der Feder fließt, dadurch vielleicht sogar Pfützen entstehen oder sie gar nicht erst richtig an der Feder haften bleiben will, fügt ein bisschen Gummi Arabicum hinzu: Sie dient zum Verdicken der Tinte.
- (Destilliertes) Wasser: Wenn die Tinte im Gegenteil dazu gar nicht von der Feder fließen will und ihre Konsistenz eher dick, pastös ist, fügt ein wenig Wasser hinzu (bei wasserbasierten Tuschen und Tinten kein Problem), um sie zu verdünnen. Wenn es destilliertes Wasser ist vermeidet ihr zudem, dass winzige Teilchen in eure Tinte geraten, die sie verschmutzen. Achtung: Ich habe keine gute Erfahrung damit gemacht, Sumi-Tinte zu verdünnen: Sumi will nicht mit Wasser verdünnt werden (sie wird dann merkwürdig zähflüssig und klumpt). Aber in der Regel ist das auch nicht nötig.
- Pinsel: Auch viele Aquarellfarben können zum Kalligrafieren verwendet werden. (Als flüssige Farbe ist Ecoline meiner Erfahrung nach zwar geeignet, aber etwas dünnflüssig; sie wird daher am besten mit Gummi Arabicum etwas verdickt.) Wenn es sich dabei um Näpfchen handelt, bei denen die Pigmente erst mit Wasser angelöst werden müssen, dann könnt ihr die Farbe, sobald sie die richtige Konsistenz erreicht hat, mit einem Pinsel auf die Feder aufstreichen. Das funktioniert natürlich auch mit Tinte aus einem Glas, in die der Obliquehalter nicht hineinpasst.
- Bücher über Kalligrafie (hierzu gibt es bald einen eigenen Blogartikel)
3. Die „Gönnung“
Immer nur mit den gleichen Materialien – weißes Papier, schwarze Tinte, dieselbe Feder – zu arbeiten, kann auf die Dauer ein bisschen langweilig werden. Und nicht zuletzt wollt ihr euch ja vielleicht kalligrafisch ein bisschen austoben und weiterentwickeln. Dazu hier meine Tipps:


- Verschiedene Federn: So findet ihr heraus, mit welcher Feder ihr am liebsten arbeitet. Außerdem eignet sich nicht jede Feder für jedes Papier. Da Federn sich außerdem nach einer Weile abnutzen, müsst ihr sowieso irgendwann Nachschub kaufen – warum nicht gleich ein paar unterschiedliche Federn zum Ausprobieren?
- Verschiedene Tinten/Tuschen: Schwarz kann sehr elegant sein, aber manchmal eben auch etwas hart. Es gibt so viele tolle Farben und verschiedene Tuschen/Tinten – probiert euch durch! (Ein paar Tipps stelle ich demnächst in einem Blogartikel für euch zusammen.)
- Verschiedenes Papier: Es gibt zwar spezielles Kalligrafiepapier, aber das ist meist cremefarben. Dabei muss es nicht bleiben. Auch stinknormaler Tonkarton/Tonpapier eignet sich sehr oft sehr gut, Aquarellpapier ebenso, wenn es auch etwas anspruchsvoller für die Feder ist. Ein Traum ist handgeschöpftes Papier, z. B. von Eliv Rosenkranz – dieses Papier ist auch für die Kalligrafie geeignet (das ist allerdings nicht die Regel).
- Gönnt euch einen neuen Federhalter: Bei mehreren Federhaltern kann man den Flansch jeweils an eine bestimmte Feder anpassen und muss dann, um mit einer anderen Feder zu schreiben, nur noch den Halter wechseln, nicht mehr den Flansch verbiegen. Ich habe euch ein paar Links für tolle Halter zusammengestellt.
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Kalligrafie-Workshopfeeling für zuhause: mit meinem Workbook für Moderne Kalligrafie! Knackig und auf den Punkt, mit vorgegeben Buchstaben des kleinen und großen Alphabets zum Nachfahren, Pfeilen, die euch die Schreibrichtung angeben, ganz viel Platz zum Üben und vielen unterschiedlichen Übungswörtern. Und natürlich: zahlreiche Tipps sowie Material-, Marken- und Shopempfehlungen, um nicht nur loslegen, sondern vor allem auch weitermachen zu können.
