Die Spitzfedern und ihre Unterschiede: Test und (subjektive) Beurteilung

Der große Kalligrafie-Feder-Test: Die Vielfalt an Spitzfedern ist riesig und es ist manchmal gar nicht so einfach, sich im Dschungel des Angebots zurechtzufinden. Damit weniger Menschen daran verzweifeln – einschließlich ich selbst -, habe ich verschiedene Federn getestet und will sie euch im Einzelnen vorstellen, damit ihr einen kleinen Überblick über ihre Eigenschaften bekommt: Wie schreiben sie, wie verhalten sie sich auf unterschiedlichem Papier mit unterschiedlicher Tinte, welche Eigenschaften zeichnen sie aus?

Achtung: Dies wird aufgrund des Umfangs meiner „kleinen“ Testreihe ein Fortsetzungsartikel, das heißt, alle weiteren Federtests werden in diesem Beitrag nach und nach ergänzt. Jene Teile, die bereits verfügbar sind, sind unten verlinkt, die in Kürze folgenden sind noch nicht verlinkt:

  • G-Federn
  • Hunt
  • Gillot
  • Hiro-Leonardt
  • Brause
  • Diverse

Sobald alle Gruppen veröffentlicht sind, folgt zudem eine Übersicht und eine Filtermöglichkeit der Federn nach ihren Eigenschaften.

Auf meinem Blog: Infos zu Federn

Über Federn habe ich schon in verschiedenen anderen Artikeln berichtet, so etwa über diese Themen: 

Spezifischer wird es in einigen Artikeln zu Problemen, die mit der Feder auftreten können, z. B. 

All dies will wiederhole ich hier jedoch nicht noch einmal, stattdessen stelle ich euch eine Bandbreite an verschiedenen Federn vor. 

Variablen bei der Begutachtung der Federn

Schaftvergleich

Ich muss vorwegschicken, dass es nicht einfach ist, Federn ganz objektiv zu beurteilen, da viele Variablen dazu führen, dass sie sehr unterschiedlich zu handhaben sind. Diese sind einerseits technisch bedingt, so sind wesentliche Einflüsse auf die Federn

  • das verwendete Papier: glatt versus rau, handgeschöpft vs. industriell hergestellt, geleimt vs. ungeleimt …
  • die verwendete Tinte: flüssig vs. viskos, mit Bindemittel vs. ohne Bindemittel, wasserlöslich vs. nicht wasserlöslich, viel Pigment vs. weniger Pigment, winzige Schwebstoffe (z. B. bei Tusche oder einigen Metallictinten) oder keine …
  • das Alter und die Abnutzung der Feder: alt vs. neu, gut eingeschrieben vs. frisch aus dem Laden, durch verschiedene Tinten bereits in Mitleidenschaft gezogen vs. noch keinen „scharfen“ Tinten ausgesetzt (etwa Eisengallustinte, Metallictinten oder Tinten mit Schellack-Anteil) …

Und als wäre dies noch nicht genug, gibt es auch ein „Andererseits“, und das sind sehr individuelle Kriterien, die auf die persönliche Handhabung zurückzuführen sind, z. B.:

  • Trifft die Feder durch die Position des Federhalters in der Hand in einem eher spitzen oder flachen Winkel auf das Papier?
  • Wird von Haus aus eher starker oder eher schwacher Druck auf die Feder ausgeübt?
  • Persönliche, sehr subjektive Wahrnehmungen und Einschätzungen der Feder-Eigenschaften

Ihr seht: Einen objektiven Bericht über die Eigenschaften der einzelnen Federn kann ich kaum abliefern, doch ich gebe mir Mühe, möglichst viele Faktoren zu berücksichtigen und zu erwähnen. 

Meine persönlichen Schreibeigenschaften

Vorab zu den Eigenschaften, die meinen persönlichen Schreibstil beeinflussen, um somit die individuellen Voraussetzungen dieses Federtests zu klären: 

  • Die Feder trifft bei mir in einem Winkel von ca. 35–40 Grad auf das Papier; das ist nicht allzu steil, aber es ginge sicher auch noch flacher, würde ich die Handfläche mehr zum Papier drehen.
  • Ich übe mittelstarken Druck auf die Feder aus, das heißt, ich habe keinen „Deathgrip“ und drücke die Feder nicht stark auf oder gar in das Papier, sie gleitet bei mir aber auch nicht federleicht über die Oberfläche. 

Der Federtest

Große vs. kleine Federn

Nun also zu den einzelnen Federn, die ich euch hier vorstelle. Ich werde sowohl ihre Breite ­– EF (extra fein), F (fein) und M (mittel) – kommentieren als auch ihre Flexibilität. Achtung: Herstellerangaben zu diesen beiden wesentlichen Eigenschaften von Spitzfedern sind nicht genormt. Zwei Federn unterschiedlicher Hersteller können von diesen also als „extra fein“ oder „extra fest“ beschrieben werden, in der Handhabung merkt man jedoch deutliche Unterschiede und würde ihre Eigenschaften keineswegs gleich bezeichnen. Ich werde diese Einschätzung also aus meiner eigenen Wahrnehmung heraus und im Vergleich der Federn untereinander vornehmen.

Zusätzlich teste ich pro Feder jeweils drei bzw. vier verschiedene Papiere 

  • Glattes Papier: Übungspapier (hier: HP Color Choice) und für die Kalligrafie ausgewiesenes Papier (hier: Lana Calligraphy)
  • Mattes (weder raues noch satiniertes) Aquarellpapier (hier: Hahnemühle Expression matt)
  • Handgeschöpftes, recht rauhes Büttenpapier (für die Kalligrafie optimiert, hier: Khadi Paper)

und drei bis fünf verschiedene Tinten:

  • Walnusstinte (selbst hergestellt aus Walnusskristallen; mit Gummiarabicum gebunden)
  • Tinte mit Metallicpigmenten (hier: Dr. Ph. Martin’s Iridescent Ink)
  • Recht viskose Kalligrafietinte von Winsor & Newton
  • Dünnflüssigere, auch für Füllfederhalter geeignete Tinte (hier: Diamine)
  • Viskosere flüssige Aquarellfarbe (hier: Dr. Ph. Martin’s Hydrus)

Welche Federn zu meinen persönlichen Favoriten gehören, erwähne ich natürlich auch.

Die Federn

Ich werde die Federn „gruppenweise“ vorstellen; nur die G-Federn und die Gruppe „Diverse“ sind herstellerübergreifend, alle anderen habe ich nach Hersteller eingeteilt, werde aber Bezüge zwischen ähnlichen Federn herstellen, wenn sich dies anbietet. 

Die meisten der Federn hatte ich bereits zuhause, einige von ihnen in regelmäßigem Gebrauch und auch ein paar Lieblingsfedern. Die übrigen Federn habe ich über den großartigen Shop von Federführend bezogen: Hier gibt es eine riesige Auswahl verschiedener Federn (neben Spitzfedern z. B. auch Bandzugfedern, Redisfedern, Plakatfedern etc. und viel weiterem Kalligrafiebedarf); abgesehen von den beiden Vintage-Federn sind alle hier vorgestellten Federn dort erhältlich. Auch der Künstlerbedarfshandel Boesner hat inzwischen einige unterschiedliche Federn im Sortiment.

G-Federn

Das G der sogenannten G-Federn steht für „General“. Neben den bei uns am weitesten verbreiteten G-Federn Nikko und Zebra sind auch die Tachikawa- und die Leonardt-G-Feder erhältlich. Doch während ihnen nachgesagt wird, sie hätten ähnliche, anfängerfreundliche Eigenschaften, hat sich im Federtest gezeigt, dass sie durchaus Unterschiede aufweisen, die zum Teil für Kalligrafieanfänger auch herausfordernd sein könnten. Ihnen gemeinsam ist: Sie sind recht groß und nehmen daher viel Tinte auf, außerdem sind sie sehr robust und halten auch weniger vorsichtigen Umgang aus, ohne sich zu verbiegen.

G-Federn

Nikko G

Flexibilität: o (mittlere Flexibilität)
Breite: M
Kratzigkeit: kaum bei glattem Papier, etwas mehr bei rauem Papier

Nikko G

Die wohl bekannteste „Anfängerfeder“ ist die Nikko G, eine japanische Zeichenfeder. Sie ist etwas flexibler als die Zebra G und die Tachikawa G und erlaubt, bei entsprechend starkem Druck, auch starke Schwellstriche. Über glattes Papier gleitet sie nahezu geräuschlos und kratzt kaum; ist das Papier hingegen „zu glatt“, kann es passieren, dass die Übergänge zwischen Abstrich und Aufstrich, die „Kurven“, nicht als exakte Haarlinie gelingen, sondern sich die Tinte noch etwas mitzieht. Je flüssiger die Tinte, desto größer die Gefahr. 

Mit rauerem Papier, sowohl mit Aquarellpapier als auch mit Khadi Paper, kommt die Spitze der Feder jedoch nicht gut klar: Sie bleibt beim Aufstrich immer wieder in den Fasern hängen.

Aufgrund ihrer guten Schreibeigenschaften auf glattem (Übungs-)Papier ist die Nikko G auf jeden Fall gut für Anfänger geeignet, die oft noch mit viel Druck arbeiten. Für Werkstücke auf weniger glattem Papier sollte jedoch eine andere Feder verwendet werden.

Ich nutze sie immer wieder, wohl aber auch deshalb, weil sie leicht zugänglich ist und sie grundsätzlich einfach zu handhaben ist. Meine Lieblingsfeder ist sie jedoch nicht.

Zebra G

Flexibilität: ­– (wenig Flexibilität)
Breite: F
Kratzigkeit: auf glattem Papier leicht kratzig, auf strukturiertem Papier weniger

Zebra G

Ja, die Zebra G ist vergleichbar mit der Nikko G – aber: Sie ist um einiges feiner und ermöglicht sehr feine Haarlinien. Auch ihre Eigenschaften beim Schreiben unterscheiden sich von der Nikko G: So kratzt sie leicht auf glattem Papier, doch mit strukturiertem Papier kommt sie sehr gut zurecht: Sie kratzt auch bei den Aufstrichen nicht, sondern gleitet über das Papier und bleibt nicht in den Fasern hängen.  

Auch die Zebra G ist somit gut für Anfänger geeignet, da sie sehr universell einsetzbar ist, und empfiehlt sich ganz besonders für Werkstücke auf rauerem Papier. So bleibt der Frustfaktor aus. Ich hatte sie selten in Benutzung, da ich davon ausging, sie sei der Nikko G sehr ähnlich, und bin nun ziemlich begeistert von der Zuverlässigkeit dieser Feder. 

Tachikawa G

Flexibilität: – (wenig Flexibilität)
Breite: F
Kratzigkeit: kaum kratzig

Tachikawa G

Auch die Tachikawa G ist wie die Zebra G eine zuverlässige Feder mit gleichmäßigem Tintenfluss. Sie funktioniert auf glattem Papier wunderbar und ermöglicht sehr feine Haarlinien, kratzt dabei auch weniger als die Zebra G auf glattem Papier. Auf strukturierterem Papier kratzt sie zwar ebenfalls nicht, bleibt aber, anders als die Zebra G, ab und zu in den Fasern hängen. 

Und auch diese Feder habe ich kaum genutzt, muss aber nun sagen: Ich mag sie. 

Leonardt G

Flexibilität: + (recht flexibel)
Breite: M
Kratzigkeit: kaum bei glattem Papier, etwas mehr bei rauem Papier

Leonardt G

Hier kommen wir nun zu einer G-Feder, die nicht so recht in die Reihe passt. Sie ist ungewöhnlich flexibel und erlaubt sehr starke Schwellstriche. Dadurch „schluckt“ sie recht viel Tinte. Sie ist weniger fein als die Zebra G und die Tachikawa G und zeigt sich leicht kratzig, gleitet aber dennoch gut über das Papier, selbst mit etwas Struktur. Allerdings kommt es immer mal wieder vor, dass sie auf rauerem Papier und zu großem Winkel zwischen Feder und Papier in den Fasern hängen bleibt. 

Bei der Tinte mit Metallicpigmenten gelingen die Übergänge zwischen Ab- und Aufstrichen auf glattem Papier nicht immer exakt, zum Teil wird zu viel Tinte mitgezogen. 

Letztlich würde ich diese Feder nicht für Anfänger empfehlen. Auch wenn sie äußerlich den anderen G-Federn ähnelt, weist sie doch recht unterschiedliche Eigenschaften auf.

Dies ist eher eine Feder für größere Zeilenhöhen und ausdrucksstärkere Schriftbilder; dennoch ist sie auch hier nicht unbedingt meine erste Wahl.

Der nächste Teil dieser Federtest-Reihe wird in Kürze an dieser Stelle veröffentlicht.